Kultur Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.01.2006, Nr. 17, S. 52

Frauen forschen
Maecenia fördert Projekte in Kunst und Wissenschaft


Zum vierten Mal hat die Frankfurter Stiftung Maecenia wissenschaftliche und künstlerische Projekte von Frauen ausgewählt, die sie im Jahr 2006 mit insgesamt 27 300 Euro fördern will. Die Stiftung hat sich darauf spezialisiert, Arbeiten zu unterstützen, die "nicht so universitätsnah sind", wie Stifterin und Vorstandsmitglied Eva Brinkmann to Broxten sagt. Außerdem sollten die Projekte möglichst einen frauenpolitischen Hintergrund und einen Bezug zu Frankfurt haben. Aus 200 Anträgen, die im vergangenen Jahr eingingen, hat der Vorstand neun Projekte ausgewählt, die durchschnittlich 3000 Euro Zuschuß erhalten. Dabei handelt es sich um drei Publikationen, ein Videoprojekt, eine Ausstellungsserie, eine Rauminstallation, eine Filmreihe und die Postproduktion von zwei Dokumentarfilmen.

Eine der geförderten Publikationen beschäftigt sich mit dem Thema "Zirkusartistinnen in Deutschland 1850 bis 1937". Die Berliner Autorin Stephanie Haerdle setzt sich mit dem Phänomen auseinander, daß Zirkusartistinnen, die in dieser Zeit als "Stars" verehrt wurden, leben und arbeiten konnten, ohne den Konventionen des bürgerlichen Frauenlebens unterworfen zu sein. Sie verdienten sehr gut, bereisten die Welt und wurden nicht diskriminiert, obwohl sie das weibliche Rollenbild verletzten. In dem ausgewählten Videoprojekt setzt sich die Rumänin Aurelia Mihai mit ihrer Geburtsstadt Bukarest auseinander. Die Arbeit schlägt einen Bogen vom Mythos der Stadtgründung bis zum ästhetischen Erbe der Ceausescu-Diktatur. Maecenia hat sich zur Förderung des Projekts entschlossen, weil es "für einen kreativen Umgang mit nationaler Herkunft und zeitgenössischer Identität steht", wie es in der Begründung heißt.

Ein Projekt mit einem starken politischen Bezug ist der Dokumentarfilm "Wer spricht?" von Maria Binder und Verena Franke aus Berlin. Der Film erzählt die Geschichte von fünf Frauen, die in der Türkei von der Polizei gefoltert wurden. Sie haben ihre Folter öffentlich gemacht, und deswegen werden einige von ihnen bis heute wegen "Beleidigung des türkischen Staates" gerichtlich verfolgt. "Wir haben diesen Film ausgewählt, weil er die Frauen nicht nur als Opfer, sondern als aktive Menschen zeigt, die in die Zukunft blicken", sagt Brinkmann to Broxten.

Die Stiftung schüttet nur jedes zweite Jahr Fördermittel aus, in den Jahren dazwischen prüft "Maecenia" die Anträge. Die Entscheidung sei dem Vorstand dieses Mal außerordentlich schwergefallen, sagt Brinkmann to Broxten. Im vergangenen Jahr hätten sich sehr viele junge Künstlerinnen beworben, deren Projekte oft einen Bezug zu Osteuropa hatten. Maecenia möchte sich in Zukunft noch stärker darum bemühen, Antragsteller über Fördermöglichkeiten zu informieren. Außerdem soll ein stärkeres Netzwerk für Künstlerinnen und Wissenschaftlerinnen mit einem frauenpolitischen Hintergrund geschaffen werden.

jul.


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